Interview mit einer Paartherapeutin
Im besten Fall ist ein Paar eine Einheit, ein Team oder eine Symbiose. Zusammen bewältigt man jede aufkommende Krise ganz nach dem Motto: „Was uns nicht umbringt macht uns stärker.“ Doch was wir nicht vergessen sollten, ein Paar besteht immer noch aus zwei Individualisten. Zwischen Kind, Arbeit und Haushalt gerät der Partner schon mal in den Hintergrund. Besonders in langfristigen Beziehungen erfordert es immer mehr an Kraft und Energie. Wir haben mit der Paartherapeutin Frau Otto gesprochen und wollten wissen, was die Gründe dafür sind und wie man das Auseinanderleben vermeiden kann.
Frau Otto, was bedeutet der Ausdruck Auseinander gelebt eigentlich?
Ein- oder beide Partner fühlen sich zunehmend weniger verbunden. Sie stellen sich häufig die Frage: Was haben wir noch gemeinsam? Was haben wir noch für eine Paarebene. Das Wir-Gefühl wird kaum noch wahrgenommen und jeder lebt mehr und mehr in seiner eigenen Welt.
Was sind die Gründe, Anzeichen hierfür?
Weniger Zeit wird miteinander verbracht. Die Kommunikation dreht sich, wenn überhaupt nur noch um die Alltagsbewältigung. Die eigenen Vorstellungen und Wünsche werden nicht mehr adäquat formuliert. Das Paar reibt sich, in der Auseinandersetzung, zunehmend an banalen Themen auf. Es wird kaum noch „Paarzeit“ miteinander verbracht, da diese als Belastung empfunden wird. Bei Paaren ohne Kinder ist, unter anderem, auch der zunehmende Grad der Individualisierung ein möglicher Grund des schwindenden Wir-Gefühls. Jeder verwirklicht sich selbst und man ist weniger bereit Kompromisse einzugehen.
Bei Paaren mit Kindern ist die erste Phase, in der die Kinder kleiner sind, vom Auseinander leben besonders bedroht- wenn sich beide Partner in ihren jeweiligen Rollen nicht respektiert und verstanden fühlen. Bei Paaren deren Kinder erwachsen werden, nimmt die Gefahr noch einmal zu, hier kann darüber geklagt werden, das nichts mehr an gemeinsamen Gefühl vorhanden ist und die einzige Verbindung die Kinder, ggf. das Eigenheim und die gemeinsamen Freunde darstellen.
Was tun wenn der Partner nicht daran arbeiten will?
Jedes Paar ist anders – deshalb halte ich auch nur bedingt etwas von einschlägiger Ratgeberliteratur. Wenn nur einer bereit zur Veränderung ist sollte der Andere liebevoll überzeugt werden sich zu bewegen wenn er/sie noch Interesse an der Beziehung hat. Da es gilt: Wenn einer unzufrieden ist, hat der andere automatisch auch ein Problem! Gegen das Gefühl der zunehmenden Distanz ist es wichtig dieses anzusprechen und nicht zu lange zu warten. Die meisten ignorieren, ihre unguten Gefühle, über einen langen Zeitraum und häufig hat dann bereits eine „Entliebung“ begonnen. Auch zu uns kommen viele Paare zu spät!
Was hilft dagegen?
Unsere Empfehlungen: Gemeinsame Rituale schaffenden Tee/ Wein o.ä. nach dem Feierabend/ Wie war dein Tag, Spaziergänge nachdem Essen/ statt dem Fernseher. Einmal die Woche Gast und Gastgeber sein – der Eine organisiert etwas und der Andere wird überrascht. Das kann ein schönes Essen sein oder Karten für eine Veranstaltung. Das Paar muss wieder entdecken, dass es sich gut anfühlt mit dem jeweilig Anderen Zeit zu verbringen.
Das Aufeinander zubewegen kann auch mit kleinen Äußerungen und Gesten beginnen. Einmal am Tag eine gute „Paartat“: Ein Kompliment, ein kleiner Zettel mit guten Wünschen für den Tag oder ähnliches. Immer wieder „Paarzeit“ einrichten und diese dann auch umsetzen – zwischen den Urlauben immer mal wieder freie Wochenenden einplanen und ggf. auch zusammen wegfahren. Im Allgemeinen sind auch die Anforderungen an Beziehungen teilweise zu unrealistisch, der Partner soll der beste Freund, der genialste Liebhaber, sportlich und attraktiv sein. Das Beziehung auch immer wieder aus Kompromissen besteht ist für viele entzaubernd. Mein Tipp: Realistische Erwartungen haben. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig wach zu bleiben und sich kontinuierlich um den jeweilig Anderen zu bemühen. Nehmen Sie sich selbst ernst und wichtig, aber lassen Sie Ihren Partner nicht außer Acht. Versuchen Sie die Paarzeit bewusst wahrzunehmen und gemeinsam positive Erlebnisse zu schaffen.
Würden Sie sagen, dass Beziehung Arbeit ist?
Auf jeden Fall! Der Partner sollte jeden Tag Aufmerksamkeit, Achtung und Respekt entgegengebracht bekommen. Dann geht das Paar auch gerne zu dieser „Arbeit „!
Frau Maren Otto ist Paartherapeutin. Zusammen mit Frau Britta Ubenauf arbeiten sie in der Gemeinschaftspraxis für Paar und Einzeltherapie in Hannover. Mehr Infos: http://www.paartherapiehannover.de/kontakt.html