Vier Berliner-Singles packen aus
Knapp mehr als die Hälfte der Berliner sind Singles. Mehr als die Hälfte schwirrt in Berlin alleine rum, sucht, ist verzweifelt oder wunschlos und zufrieden. Nach dem letzten Artikel „ich bin alleine – aber nicht einsam“ habe ich viel über das Alleinsein und über das Singleleben nachgedacht. Vor allem, ob es vielen Menschen so ergeht wie mir. Interessant waren die verschiedenen Reaktionen meiner Befragten. Viele sahen in der Frage „Bist du gerne alleine?“ eine Art Anschuldigung. „Aber ich bin es doch nicht“, antworteten sie mir. Ich war gezielt auf der Suche nach Menschen, die mich und meine Gedankenwelt verstehen. Singles, die das Alleinsein genießen. Vier Menschen, vier Gefühlswelten. Und eine Gemeinsamkeit: Wir sind alle gerne alleine. Wir sind alle glücklich.
Jeein, Grafikdesignerin, 28
“We’re born alone, we live alone, we die alone. Only through our love and friendship can we create the illusion for the moment that we’re not alone.” Das Zitat von Orsen Welles trifft es sehr gut. Wenn ich in der Schlange stehe, dann bin ich in dem Moment zwar alleine, aber nicht einsam. Vermutlich macht dieses Gefühl den Menschen auch Angst. Sie haben Angst vor dem Zustand. Da ich aber ein introvertierter Mensch bin, genieße ich das Alleinsein sehr. Ich habe das Gefühl, dass ich das Erlebte viel stärker empfinde. Alleine habe ich das Gefühl, über Vieles in Ruhe nachdenken und reflektieren zu können. Ich brauche diese Zeit und nehme sie mir auch bewusst. Nur alleine zu sein ist dennoch kein Ausweg. Wir sind soziale Wesen und brauchen Menschen, um uns mental weiterzuentwickeln. So können wir auch verhindern, dass wir uns in unseren eigenen Gedanken festfahren.“
Leakana, Eventmanagerin, 30
„Ich bin lieber alleine, als irgendjemanden an meiner Seite zu haben – sei es aus Gewohnheit oder einfach weil ich nicht alleine sein kann. Das wäre weder mir noch meinem Partner gegenüber fair. In meinem Leben war ich dreimal verliebt. Zweimal mit so richtigem Herzschmerz und nie wieder aus dem Haus gehen wollen. Aber ich möchte nicht, dass jemand mich nur an seiner Seite hat, weil ich einfach da bin. Das ist mir zu wenig. Ich date viel, weil ich zu Hause niemanden kennen lerne. Und doch bin ich glücklich alleine zu sein. Ich glaube nicht, dass sich das gegenseitig ausschließt. Man kann beides sein – auf der Suche und doch zufrieden mit der Situation. Ich liebe es, alleine zu reisen. So sehr, dass Urlaub mit Freunden mich oftmals anstrengt. Beim alleine Reisen mag ich es besonders, dass es nach meinem eigenen Tempo abläuft. Dass ich nur das mache, was ich wirklich möchte. Und dass ich Leute kennen lerne, die ich in Begleitung sehr wahrscheinlich nicht kennen gelernt hätte. Denn wenn ich alleine bin, bin ich gezwungen auf Fremde zuzugehen. Ich suche mir in Hostels bewusst das größte Zimmer heraus, weil ich es mag, umgeben von neuen Leuten zu sein.“
Qeas, Student, 24
„Vor einem Jahr entschied ich von Amsterdam nach Berlin zu ziehen. Diese Stadt zeigte mir eine komplett neue Seite, von der ich nicht wusste dass sie überhaupt existierte. Ich liebe es alleine zu sein und hatte tatsächlich kein einziges Mal das Gefühl „Ich bin alleine.“ Ich habe gelernt, dass ich mehr extrovertiert als introvertiert bin als ich gedacht hab. Meine Gedanken wurden nach und nach immer positiver und ich selbst wurde immer offener. Der Umzug von Amsterdam nach Berlin bewies mir, aus meiner Komfortzone rauszukommen. Alleine zu sein ist für mich ein Abschnitt in dem ich die Zeit geschenkt bekomme über mich bewusst werde, reflektieren und verarbeiten kann. Und das ist keinesfalls einsam.“
Ella, Studentin, 26
„Ich finde, wir sollten davon wegkommen, immer und ausschließlich von dieser einen, scheinbar einzigen Form der festen Beziehung auszugehen, ohne das auch nur einmal überhaupt in Frage gestellt zu haben. Es gibt so viele Möglichkeiten, sein Verhältnis zu nahestehenden Personen zu definieren. So gesehen bin ich vielleicht nicht in der typisch festen Beziehungen, sondern habe gleich mehrere, unterschiedliche Bindungen zu diversen Menschen parallel – die meisten rein platonisch. Alleinsein bezieht sich auf die Räumlichkeit, Einsamkeit hingegen ist ein Gefühl. Ich erfahre viel Liebe mit und durch meine Freunde, meine Familie und – ganz wichtig – mir selbst. Einsam ist man vor allem, wenn man die Zeit mit sich selbst nicht genießen kann und stellvertretend zwanghaft eine innere Verbindung zu anderen sucht, diese aber nicht erfüllt wird. Viele vergessen dabei aber auch, dass man diese innere Verbindung auch zu sich selbst finden kann. Mir scheint es, dass diese Menschen sich selbst noch nicht gut genug kennen gelernt haben.
Ich genieße es, morgens in Ruhe mit frischem Kaffee und Brötchen meine Zeitung lesen zu können. Mit Musik in der Bahn zu sitzen und meinen Blick über die Landschaft da draußen schweifen zu lassen. Manchmal ist es natürlich auch absolut wichtig, diese Gedanken und Momente teilen zu können. Man muss sich Zeit geben, um sich selbst zu entdecken und anzuerkennen, lieben zu lernen. Manchmal denke ich: Menschen, die sich von einer in die nächste feste Beziehung stürzen, sind ständig so stark von außen beeinflusst, dass sie gar nicht wissen, wie sie ohne diesen Einfluss agieren würden.“